Theo Lingens Filmeinführungen
Ab dem Jahre 1975 zeigte das ZDF eine Reihe von Langfilmen von Stan Laurel & Oliver Hardy in weitgehend ungekürzter Form unter dem Titel "Lachen Sie mit Stan und Ollie". Vor den Filmen gab es stets eine liebevoll gestaltete und sympathisch gesprochene Anmoderation von Theo Lingen (1903 - 1978). Die Worte des damals sehr bekannten deutsch-österreichischen Schauspielers wurden immer durch überaus passende und geistreiche Originalpassagen aus dem später folgenden Film ergänzt. Die Intros von Theo Lingen haben für Freunde des Komikerduos im deutschsprachigen Raum bis heute einen Kult-Status inne. Allerdings sind die Intros nur noch selten im Fernsehen zu sehen und auch im DVD-Handel nicht mehr häufig anzutreffen. Im Folgenden soll zumindest an die reinen Worte von Theo Lingen für einige Filme erinnert werden. Den Anfang bildet das Intro zu "A Chump at Oxford". Die eingefügten Filmsequenzen werden im Folgenden nur dann textlich erwähnt, wenn Theo Lingen inhaltlich an das von Stan oder Ollie Gesagte anknüpft oder in anderer Weise darauf reagiert. Wo die Sequenzen nur der Auflockerung des Beitrags dienen, werden diese in der reinen Textversion weggelassen. Wer den vollständigen Charme der liebevollen Anmoderation erleben möchte, dem sei in jedem Fall die audio-visuelle Originalfassung wärmstens ans Herz gelegt.
Filmeinführung "A Chump at Oxford"
Guten Abend, meine Damen und Herren.
Mister Laurel und Mister Hardy haben eigentlich niemals Schwierigkeiten mit ihrem Publikum gehabt. Nur ihre Kritiker haben Jahrzehnte gebraucht, um sich eine Meinung über die Umtriebe dieses Paares zu bilden. Nur die Kritiker, die außerdem noch schlaue Köpfe und schöpferische Geister waren, haben den Wert des Witzes von Laurel & Hardy schon früher erkannt. So schrieb 1940 Graham Greene, damals schon ein namhafter Romanautor und nebenher Filmkritiker der angesehen Wochenschrift „Spectator“, ich zitiere: « Laurel & Hardy sind wieder da. Das ist eine bessere Nachricht als jede frohe Botschaft, die die Zeitungen sonst verkünden. „A Chump at Oxford“ gehört zu ihren besten Filmen, die nach dem Urteil mancher Lästermäuler erfreulicher sind als die von Chaplin. Ihre Clownerien sind pure. Sie geben nicht vor, eine unverbesserliche Welt verbessern zu wollen. Und sie hatten nie den Ehrgeiz, auch noch den Hamlet zu spielen.»
Soweit also Graham Greene, dem man völlig Recht geben muss, wenn man den 1940 entstandenen Film „A Chump at Oxford“ sieht, wozu wir heute Abend Gelegenheit haben. In wörtlicher Übersetzung des Originaltitels heißt der Film „Ein Blödmann in Oxford“. Er wurde von Alfred Goulding inszeniert und zeigt uns Stan & Ollie als zwei Straßenkehrer, die durch einen Zufall einen Banküberfall vereiteln und von dem dankbaren Direktor ein Studium in Oxford bezahlt bekommen. Von einem höheren Bildungsstand erhoffen sich die beiden nämlich ein leichteres Fortkommen im Leben. Kann aber nicht gut gehen. Denn die Weisheit, die Philosophie, die Anarchie, also auch die Modernität von Laurel & Hardy liegt ja darin beschlossen, dass sie die Fragwürdigkeit von allen sogenannten gesicherten Erkenntnissen durchschaut haben. Das Hab und Gut der Besitzenden wird demoliert. Und sei der Besitzende auch Dekan in Oxford. Die Wissenschaft wird relativiert.
Stan Laurel spielt hier streckenweise, und das ist das Verrückteste, das ist der genialste Dreh des ganzen Films, eine bedeutende Leuchte der Wissenschaft. Durch einen kleinen Betriebsunfall vertauscht er seine Persönlichkeit mit derjenigen des längst verblichenen, seinerzeit sehr prominenten Forschers Lord Paddington. Dieser Identitätsaustausch ist deswegen so genial, weil er der besonderen Partnerschaft von Laurel & Hardy eine verblüffende Wendung gibt. Aus dem schüchternen Introvertierten, der den kontaktfreudigen Extrovertierten durch pure Schusselei in alle möglichen Schlamassel bringt, wird plötzlich der souveräne Herr. Als Lord Paddington nimmt sich Laurel Dinge heraus, die Doof dem Dick niemals antun würde. Wenn er zum Beispiel ihn zu der Haltung ermahnt „Nehmen Sie das Kinn hoch!“. Und als dieser das auch wirklich tut, tut er ihm noch eine Schmach an, indem er eine Eigenheit von Ollie denunziert und sagt „Beide!“.
Also, viel Spaß in Oxford!
Filmeinführung "A Haunting We Will Go"
Guten Abend, meine Damen und Herren.
In einem unserer letzten Programme haben wir uns etwas ausführlicher mit Meister Laurel beschäftigt und seinen Kompagnon ein Bisschen vernachlässigt, so dass wir sicher mit Stans Nachsicht rechnen dürfen, wenn wir es heute einmal umgekehrt machen und uns ganz auf Meister Hardy konzentrieren.
- Eingefügtes Zitat von Stan: „Das macht nichts, ich weiß ja, wer von uns beiden der Obertrottel ist.“ -
Na, ich glaube, diese Frage können wir dabei ruhig offen lassen. Schließlich wissen wir ja, dass jemand sehr intelligent sein muss, um den Obertrottel zu spielen.
Oliver Norvell Hardy wurde 1892 in Harlem, im US-Südstaat Georgia, geboren und hat von seiner Geburt an allen Leuten unheimlich viel Spaß gemacht. Er entwickelte von früh an nicht nur einen kräftigen Appetit und ein Übermaß froher Laune, sondern auch eine sehr schöne Tenorstimme. Seine Mutter, der Vater war früh gestorben, schickte ihn zu einem Gesangslehrer in die große Stadt Atlanta. Und als sie ihn dort einmal besuchen wollte, stellte es sich heraus, dass er die Gesangsstunden ständig schwänzte und stattdessen in einem Kino zur Dia-Reklame Werbesprüche sang. Mit vierzehn Jahren nahm ihn ein Freund der Familie, der Direktor einer Militärakademie, in seine Obhut. Aber für diese Art Schulung fühlte Ollie sich natürlich nicht geschaffen. Beim Exerzieren legte er sich einfach flach auf den Boden, rührte sich nicht mehr und war dank seines Gewichts auch von niemandem von der Stelle zu bewegen. Mit der Speisekarte dieser Anstalt war er auch nicht zufrieden. Eines Tages riss er von der Militärschule aus. Und er gab seiner Mutter als Grund an, er werde dort nicht richtig ernährt. Er weigerte sich auch zurückzugehen bis die Mutter ihm zwanzig Pfannkuchen machte, die er auf einen Schlag aufaß. Trotzdem nannte ihn der Schuldirektor den komischsten Jungen der Welt. Und auch sonst konnte ihm niemand böse sein. Die größte Show allerdings lieferte er stets, wenn er beim lokalen Baseball-Camp aufgefordert wurde, den Schiedsrichter zu machen. Ollies Schwester berichtet, dass es stets ein Festtag für den ganzen Ort war und bei solchen Gelegenheiten alle Läden geschlossen blieben, selbst die Banken. Für das Show Business so hinreichend qualifiziert, machte er mit 18 Jahren das erste Kino seiner Heimatstadt auf, das war 1910. Und als er sich so die Filme ansah, die er da zeigte, sagte er sich, er könne das, was diese Knaben dort auf der Leinwand trieben, mindestens ebenso gut. Und fing für fünf Dollar am Tag als Komödiant bei dem Produzenten Lubin an, der damals in den Ateliers in Jacksonville im Staate Florida Filme drehte. Und als er dann 1926 in Kalifornien mit Stan Laurel zusammentraf und sein Partner wurde, hatte er wie dieser schon eine ganze Filmkarriere hinter sich und eine noch steilere natürlich vor sich.
Der Film, den wir heute sehen werden, A Haunting We Will Go, 1942 von dem Regisseur Werker gedreht, ist das Opus 96 aus dem gemeinsamen Schaffen von Mister Laurel und Mister Hardy und zeigt uns die beiden, na ja, schon etwas angegraut, aber mit ungebrochenem Enthusiasmus in eine wilde Auseinandersetzung zwischen Ganoven und Gangstern verwickelt. Viel Spaß!
Filmeinführung "Fra Diavolo"
Guten Abend, meine Damen und Herren.
Wir beschäftigen uns heute mit dem Opernschaffen von Mister Laurel und Mister Hardy.
- Es folgt ein Ausschnitt aus einer Gesangseinlage von Stan & Ollie aus dem Film „Way out West“ -
Nein, nein. So war das nicht gemeint. Wir wollen uns heute dem seriösen Opernschaffen von Mister Laurel und Mister Hardy zuwenden.
- Es folgt ein Ausschnitt der Lachorgie von Stan & Ollie aus „Fra Diavolo“ -
Ja, das ist der richtige Film, Fra Diavolo, gedreht 1933 von Hal Roach und Charles Rogers. Eine Verfilmung der gleichnamigen Oper von Auber, der sein Werk ausdrücklich als „komische Oper“ klassifizierte. Aber die meisten Opernhäuser der Welt sind bis heute nicht in der Lage gewesen, dieser Intention des Komponisten zu folgen. Ich habe jedenfalls bei Bühnenaufführungen dieses Werkes so wenig gelacht wie bei, [hustet ein wenig], Tristan und Isolde, vielleicht da noch mehr. Die einzig wirklich komische und im Sinne des Komponisten gestaltete Fassung, ihre definitive Realisation haben wir jedenfalls in dem Film vor uns, dem wir uns heute widmen dürfen.
- Es folgt erneut ein Ausschnitt der Lachorgie -
Dieses Lachen ist irgendwie ansteckend. Haben Sie diesen Film schon einmal in einem vollbesetzten Kinopalast gesehen? Darauf werde ich noch zurückkommen.
In Fra Diavolo sind Mister Laurel und Mister Hardy die beiden Landstreicher Stanilo und Olivero, die beschließen, Wegelagerer zu werden. Und dabei machen sie die Bekanntschaft mit einem wirklichen, professionellen Banditen – mit dem Titelhelden Fra Diavolo. Und dieser Profi bringt auch gleich die Komik ins Rollen, indem er nämlich Stanilo dazu verdonnert, Olivero aufzuhängen. Ein Werk, bei dem Mister Laurel viel guten Willen, aber wenig Talent aufbringt. Zwischendurch hören Sie die schönen Stimmen von Thelma Todd und Dennis King. Weshalb ich auch die Liebhaber schöner Stimmen dringend bitten muss, eingeschaltet zu bleiben. Wir treiben ja hier schließlich nicht nur Unfug.
- Es folgt ein weiterer Ausschnitt der Lachorgie -
Wir werden noch sehen, was es da zu lachen gibt. Der geniale Mister Laurel hat für diesen Film ein Spiel erfunden, das er „Earsy, Kneesy, Nosey“ nennt - zu gut Deutsch: „Öhrchen, Kniechen, Näschen“ - und das im wesentlichen darin besteht, dass man mit seinen Händen in großer Schnelligkeit und großer Präzision auf Ohren, Knie und Nase schlägt. Stanilo macht es vor. Olivero versucht es nachzumachen. Ein anderer Mitspieler versucht es auch nachzumachen. Und als der Film in die Kinos kam, versuchte ganz Amerika, es nachzumachen. Und weil Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, versuchen, nach der Sendung natürlich, versuchen es auch nachzumachen, da bitte bedenken Sie, dass hier wie beim Fernsehen das Zauberwort Koordination heißt. Also, Öhrchen, Kniechen, Näschen. [Theo Lingen führt das Spiel in moderater Geschwindigkeit, aber fehlerfrei vor]
- Es folgt wieder ein Ausschnitt der Lachorgie -
Das vielleicht Komischste an Fra Diavolo ist das Lachen. Nichts macht so lachen wie das Lachen. Und nichts ist ansteckender als das sinnlose Lachen. Achten Sie darauf, wenn Stanilo und Olivero in den Weinkeller steigen. Es gibt keine bessere Möglichkeit, die Mechanik des Lachens zu studieren. Aber vor allem eines: Achten Sie auf die schönen Stimmen von Thelma Todd und Dennis King.
Filmeinführung "Saps at Sea"
Es ist unseren Freunden, Mister Laurel und Mister Hardy, im Laufe ihres langen Lebens nicht immer leicht gemacht worden. Dazu waren sie zu sehr von den Launen ihrer Produzenten und vom Talent ihrer Regisseure abhängig. Aber es hat ihnen eigentlich nie etwas ausgemacht.
- Es folgt eine Filmszene mit Stan & Ollie. Ollie: „Wie sagt doch das Sprichwort: Auf Regen folgt auch wieder Sonnenschein.“ Stan: "Das ist wahr. Jeder Vogel baut sich sein Nest. Aber nicht jeder ist imstande, ein Ei zu legen.“ -
Mister Laurel und Mister Hardy waren immer imstande, in jedes Nest, das sie sich bastelten oder notfalls auch erbeuteten, die schönsten Eier zu legen. Und einer ihrer größten Verehrer hat das ganz richtig kapiert. Pierre Etaix, der französische Filmkomiker unserer Tage, wir sehen ihn hier zusammen mit seinem Drehbuchautor Jean-Claude Carrière als Laurel & Hardy verkleidet, sagt über seine großen Vorbilder: „Sie brauchen kein Milieu und keine Handlung. Sie sind vor allem Figuren. Es langt, ihnen zuzusehen, selbst wenn sie gar nichts Besonderes anstellen. Sie sind das absolut perfekte Paar. Und weil das so ist, hat man heute längst den kritischen Einwand früherer Rezensenten, die Laurel&Hardy-Filme seien zwar sehr komisch, entbehrten aber oft einer strammen Handlungsführung und seien also mehr eine lose Aneinanderreihung von Gags, als alten Zopf erkannt, abgeschnitten und über Bord geworfen. Und das erleichtert uns zum Beispiel heute enorm den Genuss an einem Film wie Saps at Sea, dessen Komik ebenso wenig zu übersehen ist wie der Umstand, dass diese Laurel&Hardy-Komödie aus dem Jahre 1940 mit Sicherheit nicht nach den Regeln einer klassischen Dramaturgie gezimmert ist.“ Dieser Film, inszeniert von dem später als bester Regisseur renommierten Gordon Douglas, zerfällt deutlich sichtbar, völlig ungeniert in zwei Teile. Mit dem ersten Teil nehmen Laurel & Hardy das Thema von Chaplins vier Jahre zuvor gedrehten „Moderne Zeiten“ wieder auf. Sie sind Arbeiter in einer Posaunenfabrik und Ollie erliegt im Stress der Industriegesellschaft mit ihrem Leistungsdruck und ihrer Phonstärke. Und wie Chaplins Fließbandarbeiter in „Moderne Zeiten“ dreht der Posaunenmonteur Ollie total durch. Den zweiten Teil von Saps at Sea verbindet dann mit dem ersten hauptsächlich, dass auch hier noch ein Bisschen ins Horn gestoßen wird. Ansonsten erleben wir da, wie Mister Laurel und Mister Hardy, die auf der Flucht vor der Stressgesellschaft auf See ein wenig Ruhe zu finden hoffen, wie sie von einem typischen Produkt dieser Gesellschaft, einem Kriminellen, entsetzlich heimgesucht werden. Und da wird dann wieder manch dickes Ei gelegt. Viel Spaß.